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Montag, 17. Januar 2022

Katzenbücher, Bauern, Bauernhofkatzen, Vorurteile und Erfahrungen

Es liegt mir am Herzen!

Ich habe kürzlich zwei richtig tolle Bücher gelesen, in denen Katzen die Hauptrolle spielen. Mal ist es die heimliche Hauptrolle, mal unverblümt die wirkliche.

Aber wieder einmal musste ich zur Kenntnis nehmen, wie die Sicht vieler Menschen, sogar derer, die offensichtlich das Landleben sehr gut kennen, auf Landwirte ist, Nämlich so:

Bauern weigern sich, ihre Katzen sterilisieren zu lassen. Sie kümmern sich nicht darum, ob und wieviel Nachwuchs diese bekommen. Wenn es zuviel wird, werden die Kätzchen "entsorgt", brutal, effizient und endgültig. 

Wisst ihr was? Ja, so etwas gab es früher häufiger und so etwas wird es auch heute noch geben. Das ist unverzeihlich und muss geahndet werden.

Aber meiner Erfahrung nach ist das keinesfalls so häufig oder gar die Regel, obwohl es in vielen Büchern, manchmal in der Presse und oft von Tierschützern so dargestellt wird. Bauern, die neugeborene Kätzchen ertränken oder erschlagen, sind ein Vorurteil, das sich hartnäckig hält. Sie sind aber nur abscheuliche Ausnahmen, die von ihren Beufskollegen verachtet werden.  

Die Realität sieht oft so aus:

Frage: Woran merkt der Landwirt auch ohne schulpflichtige Kinder, dass gerade Ferien sind und eine Urlaubswelle durchs Land rollt? 

Antwort: Außer zurückgelassenem Müll in seinen Wiesen (von der letzten Pause auf dem Weg zum Traumziel), findet er plötzlich eine unbekannte Katze in der Scheune, die dort scheu und verwirrt Untschlupf gesucht hat. Mäusejagen? Fehlanzeige, das hat das Tierchen nie gelernt, weil es sich bisher immer aus einen wohlgefüllten Napf bedienen konnte. 

Was nun? Sorgfältig wird ein alter Karton mit einer Decke ausgelegt und davor täglich Schälchen mit Futter und Wasser platziert. Irgendwann wird der Neuzugang schon merken, dass er hier willkommen ist und genug Vertrauen fassen, um wenigstens auf der Veranda oder vielleicht sogar im Haus zu schlafen. Neben den fünf Katzen, die so ihren Weg auf den Hof und ins Herz der Familie gefunden haben, ist auch Platz für eine sechste Samtpfote ...

Und sollte sich herausstellen, dass die zugelaufene Pelznase gar nicht dick, sondern hochschwanger war, dann zieht man die Welpen halt auf, sucht neue Besitzer für sie, sobald sie alt genug sind, und lässt die Mama auf eigene Kosten sterilisieren. Die darf natürlich bleiben, soll aber keine Jungen mehr bekommen. 

Schließlich kommen unweigerlich die nächsten Ferien, damit die nächsten ausgesetzen Katzen. Eigene Nachzucht ist da nicht erforderlich. 

Das Auslesen eines Chips beim Tierarzt oder der Anruf beim Tierschutzverein bringt übrigens in 99 vom 100 Fällen nichts. Das ist ein Erfahrungswert. Wenn niemand aktiv nach einer Katze sucht, wird das Tier nicht vermisst. Irgendjemand wollte es loswerden ...

Nein, das ist keine Fantasie, das habe ich so oder ähnlich ungelogen hunderte Male erlebt. Von den unzähligen Bauernhöfen, die ich im Laufe meines Lebens aus beruflichen oder privaten Gründen besucht habe, kann ich die mit nicht steriliesierten, unterernährten oder offensichtlich kranken Katzen an einer Hand abzählen und brauche noch nicht mal alle Finger dazu.

Lebhaft in Erinnerung geblieben sind mir dagegen, die vielen, vielen Katzen, die im Laufe der Jahre bei mir, meinen Nachbarn, meinen Bekannten und Kunden ein neues Zuhause gefunden haben, nachdem sie jemand ausgesetzt hatte.

"Sind doch Katzen. Die schlagen sich schon durch, wenn ein Bauernhof in der Nähe ist ..." Das habe ich mehr als einmal gehört. Bloß nicht von den Bauern. Die sagen gar nichts, sondern füttern die Neuzugänge mit durch, weil die Tierheime ohnehin überlastet sind.

Ich erinnere zum Beispiel auch gut an eine ganze Bande von bildschönen, lebhaften Karthäusermischlingen, die durch einen belgischen Kuhstall tobten. Der Bauer hatte beobachtet, dass sich in der Dunkelheit ein Auto näherte (so was fällt auf dem platten Land sofort auf) und gesehen, dass etwas herausgeworfen wurde, bevor sich der Wagen rasch entfernte. Wütend darüber, dass jemand seine Einfahrt zur Müllentsorgung benutzen wollte, rannte er dort hin und fand ... einen Sack voller kleiner Kätzchen, die gerade drohten in den wassergefüllten Graben abzurutschen. Die Bäuerin hat sie dann liebevoll großgepäppelt ...

Auch das hier ist eine wahre Geschichte: Auf einer der größten deutschen Lehr- und Versuchsanstalten für Landwirtschaft beherrbergte die Scheune des Schweinestalls gefühlt 50 Katzen, alle wohlgenährt und gut gepflegt. Trotz der "Katzendichte" schien es keinen Streit zu geben, schließlich gab es immer genug Futter, Kuscheldecken und Streicheleinheiten für alle. Die Katzen waren nicht in der Scheune eingesperrt, sondern konnten sich frei auf dem ganzen Gelände bewegen. Keine der Katzen wurde "angeschafft", alle waren Streuner oder ausgesetzte Tiere, die einfach einen Unterschlupf suchten und dann blieben. Neuzugänge wurden eingefangen, untersucht und ggfs. sterilisiert, bevor sie in der Scheune wieder freigelassen wurden. Der Hauptverantwortliche für die Borstenviecher auf dem Hof hatte eben auch ein großes Herz für Samtpfoten und versorgte sie auf eigene Kosten, allerdings unterstützt von den Praktikanten und Lehrlingen (junge Bauern und ein paar Agrarstudenten).  Alles freiwillig und sozusagen ehrenamtlich. Vor und / oder nach dem Dienst im Schweinestall wurde von fast allen immer einige Minuten zum Katzenversorgen und Schmusen eingeplant. Natürlich schnurrte sich der ein oder andere Mini-Tiger so ins Herz seiner Betreuer auf Zeit. Katzen "aus dem Schweinestall" haben so im ganzen Land eine neue Heimat gefunden.

Ich könnte noch mit unzähligen solcher Geschichten aufwarten.

Das macht das Leid der gequälten Katzen nicht ungeschehen. Weiß ich. 

Aber ein Vorurteil einfach unwiedersprochen stehen zu lassen, geht mir gerade gegen den Strich.


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