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Sonntag, 14. Januar 2018

"Immer die richtigen Worte" von Melanie Hinz

Whats-App und das wahre Leben …
... sind zwar scheinbar nicht mehr zu trennen, aber eben doch nicht das gleiche.

Normalerweise beginne ich eine Buchbesprechung mit einer kurzen Inhaltsangabe der Geschichte. Die ähnelt manchmal dem Klappentext, manchmal hat mich aber etwas in dem Buch sehr berührt, auf das ich gesondert eingehe oder es zumindest andeute. Hier also geht es um die geschiedene Cara, die über eine Dating-App den noch nicht geschiedenen Noah kennenlernt und sich – obwohl sie sich zunächst nur virtuell „treffen“ mehr und mehr in ihn verliebt …

Hört sich nicht schlecht an und Romane von Melanie Hinz kaufe ich persönlich „blind“, d.h. ohne auch vorher nur in die Leseprobe rein zu schauen – wobei ich bisher noch nie enttäuscht worden bin. Melanie Hinz hat einen einzigartigen, unheimlich lebendigen Erzählstil, der es mir unmöglich macht, ihre Bücher und Geschichten aus der Hand zu legen, nachdem ich den ersten Satz gelesen habe. Ihre Charaktere wirken so echt, dass ich mich immer wieder daran erinnern muss, dass sie (vermutlich, ich bin wirklich nicht zu 100% sicher!) nicht wirklich in Mönchengladbach leben.

Leider, leider ist das in "Immer die richtigen Worte" ganz anders. Möglicherweise ist es realistischer als alle anderen zusammen aber – zumindest für mich – funktioniert es einfach nicht.

Dabei hat mich die Idee zunächst fasziniert: Die Geschichte von Cara und Noah wird von ihnen selbst und mit ihren eigenen Worten erzählt, indem man als Leser die Texte mitverfolgen kann, die sich die beiden per Whats-App schicken. Näher kann man doch nicht an einem Paar dran sein, oder?

Leider doch. Whats-App ist eben doch nicht das wahre Leben und auch wenn man so Freundschaften pflegen und sich sogar verlieben kann, so springt doch für einen Außenstehenden bei den privaten Konversationen der beiden das Kopfkino nur zögerlich an. Als Leser darf man keine einzige Situation „direkt“ miterleben, bei Telefonaten und Treffen in der Realität ist man außen vor. So etwa bekommt man immer nur mit, wenn die beiden sich verabreden, oder hinterher darüber reden. Oder halt auch nicht. Manche Konversation wird per Whats-App begonnen und dann – wahrscheinlich, man weiß es nicht – im wahren Leben beendet, bei anderen Gesprächen ist es genau anders herum.

Vor allem gestört hat mich aber, dass der Roman in dieser Form eigentlich nur … naja … ich nenne es mal „den Intellekt“ anspricht. Gefühle drücken sich eben nicht nur in Worten aus, die jemand in sein Handy tippt, vielleicht noch mal löscht und neu formuliert, damit es sich besser anhört und danach schnell noch die Rechtschreibung kontrolliert. Worauf ich hinauswill: Es liegt ein deutlicher Filter zwischen dem Geschehen und dem was man liest. Der verhindert – zumindest bei mir – dass der Funke überspringt und das Kopfkino bunte, lebendige Bilder liefert. Wenn Menschen sich treffen und miteinander kommunizieren, spielen Körpersprache, Blicke, Gesten, die Stimme eine ebenso große Rolle (wenn nicht eine größer), wie das Gesagte. Zu einer dichten Atmosphäre gehört dazu, dass man sich die Umgebung vorstellen kann, den Geruch und die Temperatur.

Wenn Cara (sinngemäß) schreibt „Es ist kalt.“, löst dass beim Lesen keine großen Emotionen aus. Nicht umsonst heißt die goldene Regel für eine gelungene Geschichte normalerweise „Show, don’t tell!“. Es liegt in der Natur der Sache, dass dies in einem „Whats-App“ Roman kaum möglich ist.

Das gilt besonders für die Stellen eines Romans, die Melanie Hinz normalerweise besonders gut beherrscht: Sie schreibt kochendheiße Erotikszenen so gut wie nur wenige andere Autoren. Wenn Cara und Noah tippen „Ich mastrubiere“ oder im Roman steht „Anhang gesendet“ ist das einfach nicht das gleiche, wie eine offenherzige Beschreibung. Übrigens wird meist nur vage angedeutet, was die beiden da an Bildern hin und her schicken, das kann (muss?) sich der Leser also selbst zusammenreimen.

Der Natur der Sache folgend, gewinnen die Nebenfiguren in der Story kaum Profil. Die meisten haben noch nicht mal Namen und entsprechend kam die Wendung zum Schluss und deren Auflösung für mich völlig überraschend.

Mein Fazit: "Immer die richtigen Worte" war für mich eine Art „interessanter Versuch“, der mich allerdings nicht überzeugt hat. Für mich hat das Buch den richtigen Ton nicht getroffen. Die spürbare Distanz, die die Form mit sich bringt, verhindert, dass man völlig in der Handlung versinken kann. Meins ist das leider nicht. Gar nicht.

Ich erwarte trotzdem weiterhin das nächste Buch von Melanie Hinz wieder voller Sehnsucht, empfehle alle - außer diesem einen hier - aus ganzem Herzen und hoffe wirklich, dass es bald wieder eine ihrer wunderbaren, lebendigen, sinnlich-erotischen Geschichten gibt.


Haben wollen? 
 Hier kann man die Bücher von Melanie Hinz kaufen: 
- "Immer die richtigen Worte" (Empfehlung: Zuerst Leseprobe lesen ...)

Uneingeschränkte empfehlen kann ich:
- "Taxiliebe" (Kurzgeschichte, bereits vorher in einer Antho veröffentlicht)
- "Wir könnten Helden sein"
- "Damals, heute und irgendwo dazwischen"
 "Für immer wir" 
- "Liebe bei Nacht"
- "Unvermeidlich"
- "Durch den Sommerregen"
- "Unerwartet"
- "Ungeplant"
- "Nie genug"
- "Eine zweite Chance für den ersten Eindruck"

Bildquelle: amazon

# Die Rezension enthält Werbelinks.



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