„The Sinner“ von J.R. Ward nimmt in der Reihe eine Sonderstellung, weil es von einem Wendepunkt in der Geschichte der Vampire erzählt. Fans werden das Buch auf jeden Fall lesen, aber …
… die Story ist definitiv kein Highlight in der Serie. Zwar nimmt J.R. Ward hier so einige der losen Fäden auf, die sie im Verlauf der Zeit so meisterhaft gewoben hat, und bringt sie nicht nur zusammen, sondern auch zu einem Ende, doch – um im Bild zu bleiben – die Qualität des „Webmusters“ ist weit entfernt vom gewohnten Standard.
Sonst sage ich oft: Kann man lesen, muss man aber nicht. Hier ist es eher: Muss man als Fan lesen, sollte man aber vielleicht doch besser lassen.
Warum ich mich durch das Buch regelrecht quälen musste, enthält Spoiler, deshalb die Bewertung vorab. Ich kann mich noch nicht mal zu 3 Punkten durchringen. Die Story gefällt mir einfach aus zu vielen Gründen nicht.
Ab hier SPOILER enthalten:
Als Syn auf die Reporterin Jo Early trifft, weiß er drei Dinge sofort: Sie ist ein Halbblut kurz vor ihrer Transition, er sollte sich von ihr fernhalten, aber er kann es nicht. Zum ersten Mal im Leben verspürt Syn echtes und tiefes Begehren nach einer Frau …
Gegen ihren Willen verliebt sie Jo beinahe auf den ersten Blick in einen finsteren, dunklen Fremden. Dabei muss sie sich eigentlich um andere Dinge kümmern, ihren Job zum Beispiel und die Tatsache, dass sie wahrscheinlich ernsthaft krank ist. Ständig rebelliert ihr Magen, sie hat Kopfschmerzen und Gedächtnislücken. Außerdem verläuft die Suche nach ihrer Ursprungsfamilie im Sand.
Währenddessen scheint für die Bruderschaft der Black Dagger das Ende ihres ewigen Krieges gegen Omega und die Lesser in greifbare Nähe zu rücken. Nur noch weniger der seelenlosen Gestalten gehen auf die Jagd nach Vampiren. Anscheinend hat es Butch aka the Dhestroyer mit Hilfe von V fast geschafft, die Essenz des Bösen zu vernichten. Aber was bedeutet das für seine eigene Existenz? Wird es auch ihn zerstören, wenn sein Gegner für immer verschwindet?
Außerdem klärt sich, wer oder was durch das geheimnisvolle Buch in die Welt gerufen wurde.
Ok, und da ich vor Spoílern gewarnt habe: Mit „The Sinner“ endet die Geschichte der Black Dagger Brotherhood, so wie wir sie alle kennen und lieben gelernt haben. Am Ende des Buches wird ein neues Kapitel aufgeschlagen …
Ich habe mit unheimlich auf „The Sinner“ gefreut, nicht nur weil Syn versprach, ein dunkler aber sehr interessanter Held zu werden, sondern auch weil ich Jo Early von Anfang an mochte. Außerdem hat mich die Andeutung, dass es Butch endlich schafft, den Krieg gegen die Lesser zu beenden, wahnsinnig neugierig gemacht.
Doch der Funke ist leider nicht übergesprungen. Durch das erste Drittel des Buches musste ich mich förmlich hindurchquälen. Die Geschichte nimmt nur langsam Fahrt auf, weil eine alte Bekannte aus einer anderen Serie – zumindest für mich – unerwartet auftaucht und ziemlich viel Raum einnimmt. Zuerst habe ich gedacht, ich hätte in den vorherigen Bänden was überlesen, aber dem war nicht so. Bamm! Da wird sie als Lösung eines Rätsels präsentiert … und nervt genauso wie immer.
Dass die Lesser in der Story viel Raum einnehmen, kann man verstehen. Schließlich geht der Krieg mit ihnen in eine finale Runde. Leider gibt es keinen der fulminanten und spannenden Kämpfe, wie sie in manchen anderen Bänden präsentiert werden. Die seelenlosen Killer menscheln plötzlich. Es ist ja grundsätzlich ok zu zeigen, dass die Dinge nicht immer nur schwarz-weiß sind. Allerdings hat J.R. Ward die Lesser selbst konzipiert und in den vergangenen Bänden weiß wenig darauf hin, dass sie Skrupel haben. Mr. F wirkt nicht sympathischer, weil er seine Fehler bedauert. Er wirkt einfach nur erbärmlich. Entsprechend wenig Spaß macht es, die Szenen zu lesen, in denen er die Hauptrolle spielt.
Das letzte Aufbäumen von Omega und sein Ende wirken gekünstelt. Entsprechend gering ist der Triumph, den man eigentlich zusammen mit den Brüdern fühlen sollte. Man spürt einfach kaum etwas, weder ihre Müdigkeit, noch ihre Erleichterung, noch sonst etwas. Vielleicht sind sie genauso genervt wie der Leser von den Kapriolen der Übernatürlichen in der Serie. Der (vorerst?) letzte Auftritt der Jungfrau der Schrift soll wohl berührend sein, hat aber auch einen faden Beigeschmack. Echt jetzt, Analissa? Da bist du also die ganze Zeit gewesen?
Wie durch ein Fernrohr kann man beobachten, was Butch und Marissa machen, wie Jane darauf reagiert, dass V nun außer Gefahr ist, wird nicht mal erwähnt. Und Syn Läuterung vom gefühllosen Killer zum gefühlvollen Liebhaber geht auch so schnell, dass man kaum Zeit hat, mitzufiebern und sich darüber zu freuen. Richtig geärgert habe ich mich darüber, wie Jos wechselnde Gefühle begründet werden: Sie entscheidet aufgrund von Handyvideos (!), die ihr ein Dritter zukommen lässt, wie sie zu Syn steht.
Last but no least: Ein integraler Bestandteil der Storys rund um die Brüder ist die oft dunkel angehauchte Erotik. J.R. Ward hat in vielen ihrer Bücher bewiesen, dass sie explizit Szenen schreiben kann, die kochend heiß sind und sie manchmal sogar nur andeuten muss, um denselben Effekt zu erzeugen. Harte Szene hat es dabei oft gegeben und immer passten sie in die Story.
Hier soll der schnelle, dreckige Sex, den Syn und Jo teilen, wohl ihre Leidenschaft füreinander zeigen. Die muss wohl echt groß sein, weil als Leser konnte ich manchmal nur den Kopf schütteln. Echt jetzt, Jo? In einer dreckigen Küche, mit einem Mann der von sich selbst behauptet, die Lederhosen nicht zu wechseln, bevor sie abfallen? Der Bindungsduft muss ja der Hammer sein, wenn er die Gerüche übertüncht. An anderer Stelle lässt er sogar vergessen, dass Syn von Kopf bis Fuß mit Lesserblut bedeckt ist.
Och nö, sinnlich ist irgendwie anders.
Nach alle dem Gemeckere: Gut gefallen haben mir die Szenen, in denen Syn und Jo einander emotional nähergekommen sind, aber auch die, in denen Jo zeigt, wie tough sie ist. Auch wenn sie bisher als Reporterin gearbeitet hat, in ihr schlägt das Herz einer echten Kämpferin!
Ich bin immer noch gespannt, wie es in der Welt der Vampire rund um den blinden König weitergeht und hoffe, das J.R. Ward im nächsten Buch wieder zu ihrem gewohnten Können aufläuft.
So, nun versteht man mein Fazit von oben vielleicht besser: Das Buch ist ein Wendepunkt in der Geschichte der Black Dagger. Das muss man als Fan also eigentlich lesen. Aber hinterher fragt man sich, ob man es vielleicht nicht besser gelassen hätte …
Haben wollen?
P.S.: Auch diese Buch gibt es wieder zeitgleich von zwei Verlagen. Verlinkt habe ich die preiswertere der beiden Kindle-Ausgaben.
Ein Datum für die Veröffentlichung auf Deutsch scheint es noch nicht geben, zumindest gibt es keinen Hinweis dazu auf der Verlagsseite oder auf amazon.
Ein Datum für die Veröffentlichung auf Deutsch scheint es noch nicht geben, zumindest gibt es keinen Hinweis dazu auf der Verlagsseite oder auf amazon.
Bildquelle: amazon
# Die Rezension enthält Werbelinks.
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