Achtung: Enthält SPOILER!!!
In einem kleinen Dorf in Brandenburg scheint die Zeit beinahe stehen geblieben zu sein. Dort mischen sich Alt- und Neubürger, Landwirte, Öko-Romantiker und – weil der Roman nun mal im Osten spielt - Gewinner und Verlierer der Wende. Als ein Windpark gegründet werden soll, brechen schwelende Konflikte auf und entladen sich schließlich in einem Strudel von Hass und Gewalt.
Weshalb ich bisher um das Buch „Unterleuten“ von Julie Zeh einen Bogen gemacht, obwohl mich das Thema brennend interessiert, erkläre ich weiter unten. Kurz gesagt liegt es daran: Ulla und „gute“ Literatur … das passt nicht zusammen, wie mich die Erfahrung gelehrt hat.
Schon in der Schule habe mich mit meinem Deutschlehrer darum gestritten, was „gute“ Bücher sind (und denke heute noch gerne an die tollen Diskussionen zurück, in denen ich mich immer ernst genommen fühlte! Danke dafür!!!)
Nach dem Abi war ich frei … zu lesen, was ich wollte und trotz meines exorbitanten Bücherkonsums habe um sogenannte „Literatur“ einen weiten Bogen gemacht. Werke, die von sogenannten Literaturkritikern besprochen und gar gelobt wurden … sind ziemlich schnell von meiner Leseliste geflogen. Der Hinweis auf bestimmte, bekannte Bestsellerlisten war für mich ein klares „Bloß nicht kaufen!“-Kriterium.
Manchmal bin ich schwach geworden … und in meiner Meinung bestärkt. Ich kann mit gesellschaftskritischen Romanen nichts anfangen, weil sie in meinen Augen meistens eines vermissen lassen: Eine gute Geschichte mit einer interessanten Handlung und einer klaren Aussage. (Dieser Aussage muss ich als Leser ja nicht zustimmen.) Was „nützt“ mir ein Roman, wenn sich am Ende die handelnden Personen nicht weiterentwickelt oder die Situation nicht verändert hat.
Gesellschaftskritik gehört für mich in Sachbücher, nicht verpackt in oft wirre Geschichten mit Charakteren („Helden“ weigere ich mich hier zu sagen!), die merkwürdig konstruiert wirken und meist völlig lebensfremd daherkommen.
Naja, wenn man ein Buch nicht lesen will, gibt es ja noch die Verfilmung, auf die man warten kann. Gerade bietet die ZDF-Mediathek vorab die Verfilmung des Bestsellers „Unterleuten“ von Julie Zeh an. Die Autorin schätze ich übrigens sehr, soweit man das als Zuschauer von Talk-Shows oder Interviews behaupten darf. Ihre Geschichte des „zerrissenen Dorfes“ hat mich als Landei schon immer sehr interessiert. Wäre sie nicht als der „große Gesellschaftsroman“ in allen möglichen Bestsellerlisten gelandet, hätte ich sie mit Sicherheit auch schon gelesen. Aber manchmal ist es halt schwer, über den eigenen Schatten zu springen …
Also habe ich die Chance genutzt, und mir die Story angeschaut. Was soll ich sagen? Der erste und der zweite Teil haben mich völlig begeistert! „Ja!“, dachte ich. „Das ist es! Ulla, du hast endlich einen Roman gefunden, der sich Literatur nennen darf, und dir trotzdem gefällt! Super! Auf deine alten Tage fängst du noch an, ernsthafte, gesellschaftskritische Romane zu lesen UND sie zu mögen …“
Die Geschichte von Unterleuten lebt von den toll gezeichneten Charakteren, von denen jeder spürbar mehr Schichten hat, als man auf den ersten Blick sehen kann. Natürlich weiß ich nicht, wie weit die Verfilmung vom Roman abweicht (den ich mir im ersten Überschwang eigentlich kaufen wollte), aber die Mischung zwischen Klischee und Kanten stimmt bei den meisten Figuren, auf jeden Fall aber bei den Hauptakteuren. Obwohl im ersten Teil der Verfilmung nicht wirklich viel passiert, baut sich eine gewaltige Spannung auf, die im zweiten Teil noch weiter auf die Spitze getrieben wird.
Und dann kommt der dritte Teil der Verfilmung …
Nicht nur, dass nicht alle Handlungsfäden aufgelöst werden (ok, das passiert im richtigen Leben auch nicht immer …), sondern die Akteure fangen ohne den Hauch einer Entwicklung an, sich völlig anders zu verhalten. So als hätte der heiße Sommer etwas zum Überkochen gebracht, dass schon sehr lange vor sich hin siedetet. Das kann ja bei dem ein oder anderen der Fall sein, aber gleich bei einem ganzen Dorf? Sorry, aber so was ist Schwachsinn, unglaubwürdig und lässt mich – diesmal als Zuschauer und nicht als Leser – total unzufrieden zurück.
Da wird ein misanthropischer Altkommunist auf einmal zum Kapitalisten und Wohltäter. Ein grobschlächtiger Proll sucht plötzlich Friede, Freude, Eierkuchen und ein Theoretiker, der bisher nur mit Worten kämpfte, gibt den Gewalttäter. Das Verschwinden einiger engagierte „Macher“ von der Bühne verwundert schon fast nicht mehr, egal ob sie nun einfach weg sind, fast tot oder wirklich gestorben. Ich persönlich glaube ja, die hätten noch so einiges zu sagen gehabt, das wollte aber dann keiner mehr hören.
Interessant ist übrigens das Frauenbild in der Story. Als Landbewohner freut man sich ja schon, wenn die typische Dorfbewohnerin nicht mit Kopftuch, Kittelschürze und Gummistiefel dargestellt wird. Auch wenn die Damen zuerst ziemlich brav und duldsam daher kommen, treffen sie am Ende die harten Entscheidungen und haben schließlich die Fäden in der Hand. Und neue Probleme an der Hacke …
Aber was will mir die Geschichte von Unterleuten jetzt sagen? Das Menschen viele Schichten haben und Wahrheiten durchaus nicht nur eine Seite? Das es oft keinen Sinn und kein Ende gibt, schon gar kein gutes?
All das wusste ich schon vorher – auch schon bei den interessanten Diskussionen mit meinem Deutschlehrer vor so vielen Jahren. Das entnehme ich den Nachrichten, das finde ich in Sachtexten und das erlebe ich im täglichen Umgang …
Um das zu erfahren, muss ich keinen Roman, keine Fiktion lesen, auch kein Buch von Julie Zeh, so sehr ich sie als Mensch auch mag.
Ich lese Romane, weil ich Geschichten liebe, die mir Hoffnung machen. Natürlich weiß ich, dass es im Leben niemals DAS Happy End geben wird. Dort zählen für mich die kleinen Erfolge, die Sekunden, in denen man mit sich und der Welt zufrieden ist.
Einen Zustand zu bejammern, nützt rein gar nix, auch wenn man das Jammern „Gesellschaftskritik“ nennt. Veränderungen kommen nicht nur durch die Bestandsaufnahme des Hier und Jetzt zustande, da muss man schon selbst Hand anlegen. Hoffnung – egal aus welcher Quelle - gibt die Kraft zum Aufstehen und Weitermachen, wenn dabei (wieder) mal gestolpert ist.
Diese Botschaft fehlt mir in „Unterleuten“ – wie in vielen anderen Büchern von den sogenannten Bestseller-Listen – komplett.
Fazit: Wenn ich nur die ersten beiden Teile der Verfilmung bewerten würde, gäbe es deutlich mehr als 5 Sterne. Den letzten Teil dagegen mag ich überhaupt nicht. Kein bisschen.
Vielleicht hat sich das Anschauen doch gelohnt und vielleicht gibt es auch eine Botschaft: Man sollte miteinander reden, bevor eine Situation eskaliert. Das ist aber leider gar nicht so einfach, wenn nur eine Seite reden will …
Haben wollen?
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