Leonard Knightly ist ein wohlhabender Unternehmer in seinen besten Jahren, erfolgreich und … schwul. Das ist im prüden England Anfang des 20. Jahrhunderts ein Verbrechen, das mit Zuchthaus geahndet wird. Seine Sehnsucht nach Nähe unterdrückt Leonard so gut es geht, nur hin und wieder lässt er sich zu belanglosen Affären hinreißen. Alles sehr diskret und niemals auf mehr als reinen Sex angelegt, Liebe oder gar eine Partnerschaft scheinen unerreichbar zu sein.
Als er den jungen Adligen Vincent kennenlernt, fühlt er sich von ihm angezogen, glaubt aber niemals daran, eine Chance zu haben, Außerdem möchte er Vincent auf keinen Fall kompromittieren. Fast gegen seinen Willen verbringt er trotzdem immer mehr Zeit mit dem stets gut gelaunten Mann.
Die Frage ist, wer in diesem Spiel der Verführer und wer der Verführte sein wird. Können die Männer wieder aufeinander verzichten, nachdem sie einander unerwartet gefunden haben?
Die Geschichte „Sunford - Verführung eines Gentleman“ von Celia Jansson lässt sich in drei Teile gliedern.
Zu Beginn wird der Sommer aus Leonards Sicht geschildert. Seinem zurückhaltenden Wesen entsprechend beginnt die Geschichte sehr ruhig und langsam. Leonards Homosexualität ist ein Geheimnis, das er um jeden Preis wahren will, weil ihn die Enthüllung gesellschaftlich und beruflich ruinieren würde. Er verschließt diesen wichtigen Teil seines Selbst so tief und mit so eiserner Disziplin in sich, dass er auch in anderen Situationen nicht mehr offen und spontan reagieren kann. Private Treffen mit anderen Menschen strengen ihn an, weil er immer etwas von sich verbergen muss. Nur die idyllische Umgebung seines geliebten Heimatortes Sunford schenkt ihm ein wenig Frieden, der durch Vincents Ankunft allerdings gehörig gestört wird.
Der zweite Teil erzählt im Grunde die gleiche Geschichte noch einmal, allerdings aus Vincents Sicht. Damit ändert sich auch plötzlich der Blickwinkel des Lesers ganz entscheidend. Situationen, die eigentlich schon bekannt sind, bekommen auf einmal ein völlig neues Gewicht. Überraschenderweise ist es keinen Moment langweilig, sondern sogar außerordentlich spannend, zu erfahren wie Vincent den Sommer erlebt hat. Dass er kein unschuldiger Junge ist, was eigentlich schon klar, was ihn aber wirklich nach Sunford verschlagen hat, ist dann doch eine Überraschung. Als sein Geheimnis enthüllt wird, ist der Zauber des Sommers gebrochen.
Der dritte Teil des Romans erzählt abwechselnd aus Leonards und Vincents Sicht, wie die damit umgehen, dass sie sich unerwartet und sicher auch ungewollt in einander verliebt haben. Beide glauben nicht, dass es eine gemeinsame Zukunft für sie gibt, aber beide können auch nicht in ihr altes Leben zurück. Sie müssen sich entscheiden, ob sie wirklich auf die Liebe und vor allem auf einander verzichten können. Die gemeinsame Zeit hat beide tief berührt und für immer verändert.
Der Roman besticht nicht nur mit den beiden solide angelegten Charakteren, sondern auch mit sympathischen Nebenfiguren. Hier ist natürlich allen voran Leonards kluge und für ihre Zeit erstaunlich unabhängige Schwester Florence zu nennen. Im Gegensatz zu Leonard hat sie keine Angst davor, die Gesellschaft zu brüskieren, um ihre Ziele zu erreichen.
Sehr interessant und außerdem wunderschön beschrieben sind die Schauplätze, an denen die Story spielt. Der ländliche Friede von Sunford ist ebenso spürbar wie die laute Hektik von London. Celia Jansson ist es ausgezeichnet gelungen, die besondere Atmosphäre beider Orte einzufangen. Besonders die Beschreibungen von London mit seinen Subkulturen in der Zeit zwischen Jahrhundertwende und dem Ausbruch des zweiten Weltkrieges sind unheimlich interessant. Bigotterie und Klatsch findet man übrigens im kleinen Dorf genauso wie in der großen Metropole.
„Sunford - Verführung eines Gentleman“ ist so mehr Romanze als historischer Roman. Trotzdem spürt man den Atem der längst vergangenen Zeit, wenn man das Buch liest sehr deutlich. Die geschickte Verknüpfung mit realen Personen und Ereignissen macht die Geschichte sehr authentisch. Man muss sich ein wenig auf den Roman und die Zeit in der er spielt einlassen, um die Motive und Handlungen von Leonard und Vincent wirklich nachvollziehen zu können. Leonards Reserviertheit und Vincents Geheimniskrämerei machen das nicht immer einfach.
Aber es lohnt sich! „Sunford“ ist kein Buch, das man begeistert verschlingt, sondern eines, das man in Ruhe genießen sollte. Es ist klug angelegt und geschrieben. Wenn man der Geschichte ein wenig Zeit gibt, wächst sie einem sehr ans Herz. Hier kann sollte man sich ruhig ein Beispiel an Vincent nehmen: Voller Freude entdeckt er am Wegesrand tausend kleine Wunder und öffnet damit auch Leonards Augen für Schönheit, die dieser vorher schon lange nicht mehr wahrgenommen hat.
Mein Fazit:
„Sunford - Verführung eines Gentleman“ hat auch mich verführt. Von Seite zu Seite habe ich immer mehr Gefallen an der Story gefunden. Der Anfang ist ein wenig zäh, erst ab dem zweiten Teil nimmt die Story merklich Fahrt auf. Obwohl man die Handlung ja eigentlich schon kennt, ist es unheimlich spannend, sie noch einmal aus einer ganZ anderen Perspektive zu erleben.
So hat sich fast unmerklich von „Gefällt mir“ zu „Gefällt mir sehr“ hochgearbeitet und erhält damit 5 Punkte und eine Leseempfehlung.
Haben wollen?
Hier kann man das Buch von Celia Jansson kaufen:
- "Sunford - Verführung eines Gentleman"
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Bildquelle: Sieben Verlag
# Die Rezension enthält Werbelinks.